Inselkunst

Icchokas Meras, "Remis für Sekunden" (Lygiosios trunka akimirka)
Ein KZ-Chef macht einem jüdischen Schachspieler ein sadistisches Angebot: Er könne um das Leben der auf den Abtransport ins Vernichtungslager wartenden Kinder spielen. Verliert er, sterben sie. Gewinnt er, wird er erschossen, aber die Kinder sind gerettet. Und bei Remis? Das hat der Nazidepp natürlich nicht bedacht, aber welcher Schachspieler spielt schon auf Remis... und auf das Wort eines Nazis kann man sich selbst in der Belletristik nicht unbedingt verlassen. Aber der Schachspieler hat es mit seiner nervenzerreißenden Partie noch ganz gut getroffen, außerhalb des Brettes reihen sich Gräuel an Gräuel, in einer gnadenlosen Sprache beschrieben. (Die Eltern des litauischen Autors wurden gleich bei der Invasion ermordet, er selbst von einer Familie versteckt. Er weiß, wovon er redet.)
Und wie endet das Ganze? Man hört en passant die Stiefel der Befreier (es wird das einzige Mal in der Geschichte gewesen sein, daß jemand die Rote Armee mit Jubel begrüßt hat... und auch der Autor ist später nach Israel emigriert) näherkommen, und der etwas nebulöse Schluss (wir erfahren nie, wer nun „gewonnen“ hat) impliziert, daß es einen Aufstand im Ghetto gibt und der KZ-Chef die Hängeparty in Nürnberg nicht mehr erleben wird.
Keine schlechte Zeit, diesen Roman wiederzuentdecken. Überall auf der Welt haben die Ultrarechten Hochkonjunktur und ich werde mit denen keine Partie Schach spielen, wenn sie wieder an die Macht kommen.
wD sL

HR

Turmbauer
Gemeindehaus im Nebel. Ich hoffe, unsere Kiddies wollen mehr als ein schäbiger Turmbauer sein, der ständig nur sinnlos geopft wird. Also mindestens Umwandlungdame...

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