ERÖFFNUNGSTHEORIE LEICHTGEMACHT

Ich möchte hier kurz den Nilpferd-Aufbau, etwas seriöser auch Robatsch-Variante genannt, vorstellen: Weiß spielt, nahezu unabhängig von den schwarzen Gegenzügen g3,Lg2,d3,e3,Sd2,Se2 b3,Lb2 und O-O. Sowohl strategischer Gehalt als auch praktischer Nährwert(=psychologischer Nutzen) liegt auf der Hand. Weiß greift das schwarze Bauernzentrum (Wer würde nicht als Schwarzer zwei bis vier Bauern in's Zentrum stellen) mit c4, oder aggressiver mit f4, an und pocht bei Abtausch auf seine zentrale Bauernmehrheit.
-Irgendwelche Angriffsversuche die Schwarz unter Opfer(n) macht dürften bei genauer Verteidigung im Sande und zu materiellen Vorteil für den Anziehenden führen (Siehe Beispielpartie).
-Sowohl Theoriegläubige, die sich um den Nutzen ihrer Variantenbüffelei gebracht sehen, als auch Tarrasch-Anhänger, denen bei so viel Vernachlässigung das Zentrums schlecht wird, meinen diesen Aufbau unbedingt widerlegen zu müssen und stolpern dann über ihre eigene Aggressivität.
Natürlich hat die ganze Sache auch Nachteile, sonst würde ja jeder Nilpferd spielen:
-Kein ernsthaft gespieltes System bleibt lange ohne Theorie, die ersten Broschüren sind bestimmt schon erschienen und sobald ein sowjetischer GM dieses System anwendet, wonach man es mit seinem Namen beglücken kann, wird es auch Aufnahme in die großen sowjetischen Theoriereihen finden.
-Solche wenig raumgreifenden Züge führen natürlich nicht zu schwer neutralisierbaren Anzugsvorteil, wie in den klassischen Eröffnungen. Schwarz braucht sich nur ruhig aufzubauen und es entsteht ein gleiches Mittelspiel. Schon Tarrasch hatte nämlich empfohlen, wenn Weiß keinen Zentrumskampf beginnt, sich als Schwarzer einfach symmetrisch aufzubauen, schließlich trage Weiß die Verpflichtung aus seinem Anzugsrecht einen ganzen Punkt zu machen.
Zusammenfassung: Wenn man keine Lust zu Eröffnungstheorie hat, sich gegen überaggressive Angriffe zu verteidigen weiß, der Gegner seine 600 Seiten Grünfeld und 2000 Seiten Sizilianisch gelernt hat.......warum nicht mal Nilpferd.
Die versprochene Partie ereignete sich am 6.12.81 im Bundesligakampf TB Erlangen-Bamberg, NM Bernd Feustel/Elo 2375 führt die weißen Steine gegen IGM Dr. Pfleger/Elo 2500 zum Sieg, nachdem ein schwarzes Springeropfer nicht durchschlägt:
1.g3 d5 2.Lg2 Sf6 3.d3 c5 4.Sd2 Sc6 5.e3 e5 6.Se2 Le7 7.0–0 0–0 8.b3 Te8 9.Lb2 Lf8 10.h3 h6 11.Kh2 Ld7 12.f4!? d4 13.fxe5 Sxe5 14.exd4 Seg4+?! 15.hxg4 Sxg4+ 16.Kg1 Se3 17.De1 Sxg2?! (Wohl doch Sxf1 mit schwerer Stellung für Schwarz) 18.Kxg2 Lg4 19.Sf3 cxd4 20.Dd2 Lb4 21.Dd1 Dd5 22.Lxd4 Te7 23.c3 Ld6 24.Dd2 Tae8 25.Tae1 f5 26.Seg1 f4 27.Txe7 Txe7 28.gxf4 Te6 29.Le5 Tg6 30.Kf2 Le7 31.De3 Lf5 32.Td1 Kh7 33.Se2 Dd8 34.Sg3 Lg4 35.f5 Ta6 36.a4 Lf6 37.Lxf6 Txf6 38.Dd4 1–0
Die Partie entnahm ich der "Rochade", für die ich zum Ausgleich Schleichwerbung betreiben möchte: Viel Schach fürs Geld!
Die Anregung für diesen Artikel habe ich von Edgar A., der mir aus seiner Turniererfahrung von einigen Schachoriginalen berichtete, die sich ohne Theorie und doch mit Erfolg durchs Schachleben schlagen.

PJ

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