Inselkunst:

Fernschach und Termiten

In einem Fernturnier hatten ein Schachfreund aus London und einer aus Südafrika zusammen zu spielen. Während der Südafrikaner ausschließlich am Schachspielen interessiert war, wollte der Londoner die günstige Gelegenheit benutzen - er mußte sowieso volles Porto zahlen, da merkwürdigerweise manche Staaten Fernschachkarten nicht als Drucksache zulassen -, um sich mit seinem Gegner auch ein wenig schriftlich zu unterhalten. So stellte er bei jedem Zuge einige kleine Fragen wie was halten Sie von der Lage im allgemeinen und besonderen, wie beurteilen Sie die Rassenfrage, glauben Sie, daß Najdorf Weltmeister wird usw. usw. Unser Südafrikaner antwortete aus Höflichkeitsgründen, aber immer nur so knapp wie möglich und wartete auf eine Gelegenheit, um möglichst bald die ganze Schreiberei ein für allemal einschlafen zu lassen und sich nur auf die Züge zu beschränken. Und siehe da, als einige Karten später sein Gegner an ihn die harmlose Frage richtete, was lesen Sie augenblicklich, glaubte er jetzt die Gelegenheit gekommen, sich die Schreiberei abzuwimmeln. Er betrachtete die Schaufenster der Buchhandlungen, um sich einen möglichst ausgefallenen Titel herauszusuchen, daß seinem Gegner die Lust vergehen sollte, noch weiter zu fragen. Schließlich glaubte er ein geeignetes Buch gefunden zu haben und teilte so nebenbei seinem Gegner den Titel mit "Das Leben der weißen Termiten und ihr Einfluß auf die geologische Struktur von Afrika" in der Hoffnung, von nun an außer Schachzügen von seinem Gegner nichts mehr zu hören. Aber wer beschreibt sein Entsetzen, als postwendend ein langer Brief seines Gegners eintraf mit einer genauen Analyse des Buches, seitenlangen Erklärungen und einem Dutzend Fragen die Termiten betreffend! Stellte sich doch heraus, daß unser Londoner Freund sich als Hobby auch für Insekten interessierte, darin Fachmann war und sich nun riesig freute, einen gefunden zu haben, mit dem er sich darüber aussprechen konnte. Unserem Südafrikaner blieb nichts anderes übrig, um nicht sein Gesicht zu verlieren, sich das Termitenbuch zu kaufen, dies eingehend zu studieren und sich an die Beantwortung der Fragen zu machen, wozu er jedoch, wie er bald feststellte, noch weitere Literatur benötigte. Am Schluß der Partie soll der Südafrikaner eine umfangreiche Insektenliteratur sein eigen genannt haben.

SW

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