Woran, fragen Sie? Eben daran, daß man gegen Hauke nicht gewinnen kann. Auch der ungarische GM Farago kam über ein Remis nicht hinaus.
Hauke entwickelte sich also zum Remisschieber. Und auf meine gut gemeinte Anfrage, ob er nicht endlich mal auf Sieg spielen könne, immerhin würde ich extra aus Wilhelmsburg eine beschwerliche Anreise in Kauf nehmen, erwiderte er nur, daß er schließlich der Unterhund sei und daß es gefälligst Sache der GMs sei, auf Sieg zu spielen. In der nächsten Runde zeigte sich allerdings, daß Hauke meinen Wunsch nach einer expressiveren Performance doch ernster genommen hatte, als ich gedacht hatte, und fand gegen GM Rogozenko in einer vorteilhaften Stellung einen höchst spektakulären Verlustzug. Wenn Hauke verliert, und das hatte er leider nun, dann wenigstens in Schönheit. Hauke fand das aber überhaupt nicht schön und verfiel in autoaggressive Selbstgespräche, und konnte auch meinen gutgemeinten Hinweisen, daß er doch stolz sein könne auf sein bisheriges Turnier, und daß man irgendwann mal verlieren müßte, nichts abgewinnen und überschüttete sich weiter mit zynischen Bemerkungen, die ich an dieser Stelle nicht zitieren möchte, um den tapferen Verfasser unserer Zeitschrift vor weiteren Flashbacks zu bewahren.
OK, haken wir es ab. Motivieren wir uns neu und stehen auch morgen auf der Matte.
In der achten Runde wartete, natürlich, sollte man sagen, wieder ein GM: ein gewisser Herr Rausis. Hier muß ich etwas weiter ausholen, um die Brisanz dieses Duelles einsichtig zu machen. Es handelte sich bei diesem Aufeinandertreffen um die Wiederauflage eines Matches, das letztes Jahr beim Wichern-Open stattfand. Hauke hatte damals in einer wahnwitzen und an Dramatik kaum zu überbietenden Partie Rausis ein Remis abgeknöpft. Schon das fand wohl kaum den Beifall von Rausis. Vor allem aber die etwas seltsame Art, die Hauke mal wieder an den Tag legte - wir SKWler haben das ja inzwischen zu deuten gelernt - hat Herrn Rausis, gelinde gesagt, etwas irritiert. Hauke vollführte wahre Ringelreihen um das Brett herum, suchte immer wieder das Gespräch mit dem Auditorium, imitierte mit hektischen Propellerbewegungen der Hand die Züge seines Springers und vergaß es natürlich auch nicht, das Ganze mit einem satten Motorengeräusch zu untermalen. Rausis fand das gar nicht witzig, und zur Strafe mußte Hauke 30 Züge lang unter Beweis stellen, daß er in der Lage war, das Endspiel T gegen S remis zu halten. Das wiederum fand Hauke nicht witzig. Irgendwann sah Rausis dann ein, daß bei dem Gekasper gleich seine Zeit fallen würde, und willigte per Qualitätsopfer in das Remis ein. Kurzum, es war für Zündstoff gesorgt. Die Partie sollte nicht enttäuschen. Rausis hatte frühzeitig seinen Springer geopft und übersah anschließend unglaublicherweise eine Zugwiederholung. Wer sie nicht übersah, war natürlich Hauke, der wie von der Tarantel gestochen aufstand und rauslief (nicht Richtung Toilette, wie einige im Saal annahmen, sondern Richtung Schiedsgericht). Rausis schwante sein Mißgeschick. Enttäuscht warf er seinen Kugelschreiber in die Ecke, nachdem er das Partieformular unterschrieben hatte. “Immer dieser Typ” oder so murmelte er wohl in Russisch vor sich hin. Aber die Höchststrafe sollte noch folgen. Hauke erschien mit dem Oberschiedsrichter am Brett und begann, im Grundschullehrerton das Remis zu reklamieren, worauf sich Rausis am liebsten die Ohren zugestopft hätte.
Hier möchte ich enden, allerdings nicht ohne meiner Chronistenpflicht Genüge zu tun und Ihnen noch zu sagen, daß Hauke leider die letzte Partie gegen Heyken verlor. Aber das ist alles gar nicht so wichtig, gelle?

Sch!

(Anm. d. Red.: Dies ist Saschas erster Inselschachartikel. Bitte verzeihen Sie ihm die Frechheiten, er weiß es noch nicht besser.)

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