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Großmeister - geschändet und zu Tode gequält
Alle Jahre wieder findet in den Klubräumen die Internationale Hamburger Einzelmeisterschaft statt.
Unter den 32 Teilnehmern befanden sich 9 GM, 5 IM und 7 FM. Soweit zu den harten Fakten. Für uns
gewinnt dieses Turnier - und wenn ich ehrlich bin, ist es der eigentliche Grund meines Artikels -
an Bedeutung durch das Mitwirken eines etwa 1.90 m großen, zumeist mit Gesundheitssandalen,
weißen T-Shirt mit Schachaufdruck, weißer Hose und, natürlich nicht zu vergessen, einer durchaus
modischen Brille ausgerüsteten Mannes mittleren Alters. Sie wissen, wen ich meine? Sicher? Gut,
Sie haben richtig getippt: Ein gewisser Hauke R. gab sich wieder einmal die Ehre. Um ihn soll sich im
Folgenden meine kleine Geschichte drehen, in der ich mich natürlich nur der Wahrheit und nichts als
der Wahrheit verpflichtet fühle. Nehmen Sie mich also beim Wort. Etwaige Rückfragen eines
Untersuchungsausschusses bin ich gern bereit gegen eine geringe Kostenpauschale zu beantworten.
Sollte ich nach diesem fragwürdigen Artikel noch im Verein anzutreffen sein, bin auch bereit,
mündlich Rede und Antwort zu stehen.
Vorweg: Ich möchte allen Wilhelmsburger Schachfreunden durchaus raten, auch einmal bei einem
solchen Schachevent zu kiebitzen. Nicht um die Spielstärke zu verbessern (da ist eh Hopfen und
Malz verloren - der Verfasser des Artikels nimmt sich nicht aus), sondern um einfach einmal die
Atmosphäre eines solchen Turniers in sich aufzunehmen und um jene eigentümliche Spezies
kennzulernen, die nichts besseres zu tun hat, als sich bei hochsommerlichen Temperaturen in einen
verschwitzen Raum zu setzen und Holzfiguren zu bewegen, das heißt sich gegenseitig reinzulegen.
Zurück zu Thema!
Haukes erster Gegner war ein gewisser David-Geffrey Meier. Ich kenne David ganz gut, blitze gegen
ihn ab und zu im Stadtpark und wußte, daß er, um in dieses Turnier erst einmal hineinzukommen,
eine ruhige Partie schieben wollte. Nach der Auslosung war recht klar, daß es sich hierbei um ein
recht schwieriges Unterfangen handeln würde. Letztlich bestätigten sich Davids Vermutungen
bereits nach Haukes zweitem Zug. Ein zutiefst erschütternder Zug. 1.d4 f5 2.h3!!! Dieser Zug brachte
David völlig aus seinem schachlichen Gleichgewicht, wahrscheinlich wäre es das beste gewesen,
gleich aufzugeben, als sich die nächsten 29 Züge noch anzutun.
In der zweiten Runde ging es gegen den Wichern-Open-Sieger GM Yemelin. Machen wir es kurz
und vielleicht auch schmerzlos: Hauke gewann. Eine andere Begebenheit ist in diesem Zusammenhang
viel berichtenswerter und gibt uns einigen Grund, den Sieg Haukes in ein etwas anderes Licht zu
rücken. Yemelin wohnte bei Hauke, und wie mir aus sicherer Quelle berichtet wurde, aß er wie zwei
ausgehungerte sibirische Bären. Was liegt da näher, als seinem honorablen Gastgeber auf diese
Weise etwas zurückzugeben. Wie ich finde, eine durchaus generöse Geste.
Die nächsten beiden Runden remisierte Hauke ziemlich problemlos gegen zwei weitere Großmeister.
(Man verzeihe mir an dieser Stelle den Telegrammton, aber direkt hinter mir wartet Hauke beharrlich
auf die Fertigstellung dieses Artikels. Wir sitzen hier beide im 3. Stock zusammenpfercht in einem
staubigen Raum, Abteilung Anorganische Chemie, und es herrscht strengstes Rauchverbot.)
In der fünften Runde spielte Hauke gegen den bulgarischen Großmeister Georgiev. Irgendwann hatte
Hauke eine Qualle mehr und, richtig geraten, stand platt. In einem Anflug von Schachblindheit und
dazu arger Zeitnot (80 Minuten allein für den 12. Zug!) verstand es Georgiev allerdings nicht, seine
100000 Gewinnmöglichkeiten zu nutzen und zu guter Letzt trennten auch sie sich remis. Auch in
der nächsten Runde mußte wieder ein GM dran glauben.
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INSELSCHACH 106
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