Brot und Spiele

Nein, hier geht es nicht um Herrn Juvenal. Die alten Römer hatten damals sowieso einiges falsch verstanden, aber das kennt man ja. (Anstatt sich um die bemitleidenswerten römischen Brote zu sorgen, wurden irgendwelche albernen Circusspiele veranstaltet, die nun wirklich kein Gebäck interessierten, was letztendlich zum Zusammenbruch des Römischen Reiches führte, aber das ist eine andere Geschichte, die hier nichts zur Sache tut.)
Hier geht es um viel größere Probleme: Ihr alle kennt das Thema. Zu Hause lebt Ihr mit einem oder mehreren kurzarmigen Kastenbroten unter einem Dach, und solange die Rauhfasertapete nicht von Kindern vollgeschmiert künstlich verschönbuntert wird, ist alles in Ordnung. Aber wehe, Ihr kommt in die Verlegenheit, die Brote beschäftigen zu müssen, und die Videocassette mit den langweiligsten Bahnstrecken hat Bandsalat.
Für solche Notfälle gibt es Brotspiele, öde Beschäftigungen für die ganze Brotfamilie. Und diese Freizeitbeschäftigungen stelle ich Euch nach und nach vor. Die Zeiträume zwischen dem ersten und dem zweiten "Nach" werden wie immer ziemlich lang sein, aber das kennt Ihr ja schon.

Heute: Gnampf-Schach
Das eigentliche Schachspiel ist ziemlich kompliziert, man muss sich mit Fachbegriffen wie "Rochade" und "Remis" herumschlagen, außerdem hat jede Figurenart ihre eigenen Bewegungsvorschriften. Nichtsdestotrotz fällt es der Gattung Kastenbrot in der Regel leicht, dieses Spiel zu erlernen, da Brote hochintelligent sind. Würden sie es nicht vorziehen, möglichst unerkannt zu leben, hätten sie schon längst die Schachweltrangliste erobert. Aber Spaß hätten sie daran nicht.
Damit die Brote das Spiel genießen können, gibt es Gnampf-Schach. Die Regeln sind einfach. Jeder hat nur eine Figur, nämlich den König. Diese darf - wie beim normalen Schach - immer nur ein Feld weiterrücken. Es ist unter Strafe verboten, den Gegner mit "Schach" zu bedrohen, denn das würde nur für unnötige Unödnis im Spiel sorgen. Es gibt also keinen Gewinner und somit auch keinen Verlierer, eine Philosophie, die der Brotseele guttut, weil man nach dem Spielende in friedlicher Stimmung gemeinsam eine Mehlsuppe schlürfen kann. Beim Schachbrett ist darauf zu achten, dass es möglichst langweilig ist. Bitte keine knallorange-grüne Farbkombination verwenden! Idealerweise hat das Schachbrett ein Muster, welches von den Broten während des Spiels auswendig gelernt werden kann. Aber bitte nur Schwarz-weiß-Kombinationen oder idealerweise ein ödes Mausgrau.

Noch einiges zur Geschichte:
Die Herkunft des Gnampf-Schachspiels liegt eigentlich im Dunkeln, aber mir als anerkannt seriöse Brothistorikerin ist es gelungen, Licht in die Geschichte zu bringen. Es trug sich im Indien des 3. Jahrhunderts zu. Sissa ibn Ichwillhierweg war ein sehr gebildeter kastenförmiger Gelehrter mit zu kurzen Armen und mehliger Konsistenz. Leider gab es in Indien damals noch keine Rauhfasertapeten, und auch höchst langweilige Bahnstrecken waren noch nicht erfunden. Und selbst wenn, es hätte noch keinen TV-Sender für die Ausstrahlung gegeben. Sissa ibn Ichwillhierwegs Seele war aufgrund fehlender Entspannungsmöglichkeiten also einem enormen Druck ausgesetzt. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kam dazu, dass Indien seinerzeit von einem grausamen König regiert wurde, der ständig überall bunte Bilder sehen wollte. Ihr kennt ja alle die bunten Abbildungen in den Klassikern der indischen Literatur. Farben über Farben, ein Augenschmerz ohnegleichen!

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