Inselkunst
Der Literaturführer Folge 4: Reality-Schach
Versprechen Sie sich keinen Unterhaltungswert. Wir bieten nämlich die reinste Information,
die Wirklichkeit, so wie sie wirklicher nicht sein könnte. Wir zeigen Ihnen das Schicksal
deutscher Schachspieler, wie es jedem alltäglich höchst tragisch zustoßen kann. Wie gesagt, rein
informativ und analytisch, versteht sich. Wer es auch noch aufregend findet, hat schließlich
selber Schuld.
Weiß: Dr. Hilger (Fischbek) - Schwarz: SW, aber das tut nichts ZUR SACHE.
1. b4 ZAK, was für drolliges Zähnefletschen 1...e5 2. Lb2 f6 höchst EXPLOSIV. Zeit, es sich gemütlich zu machen und die Chips rauszuholen ...3. e4 d5 FRONTAL dagegengehalten. Echt wobbig ...4. exd5 Lxb4 5. Lc4 Dd6 6. Sc3 Lxc3 Der Springer wurde zuletzt auf c3 gesehen. Plötzlich ist er SPURLOS verschwunden. Nicht einmal Holzteile blieben zurück. ...7. Lxc3 Se7 8. Df3 Sd7 9. d4 exd4 10. Lxd4 Se5 11. Dh5+ absolut AKUT. Die Spannung treibt allen Beteiligten Schweißperlen auf die Stirne 11...g6 12. Lxe5 Db4+ 0-1 VERZEIHT MIR, ich kann doch nichts dafür.
Nach solchen literarischen Ausschweifungen ist es nicht angezeigt, sogleich zur schöngeistigen Literatur überzugehen. Darum hier - kaum minder eklig - der ...
Schach-Schüttelreim
Im Kaffeehause lustig schwirren Geigen
Wo Tassen klappern, Menschen girren, schweigen
Nur zwei, und lärmt um sie geschäftig Krach,
Sie achten's nicht, sie spielen kräftig Schach.
Du fragst, was sie an diesem Spiele fänden?
Je nun, es kann der Freuden viele spenden.
Es lehrt im Herzen stillen Jubel tragen.
Wenn ringsumher der Menschen Trubel jagen.
Es läßt, wenn dumpf die geistig Trägen sinken.
Des klaren Denkens reinen Segen trinken.
(Georg Möller-Giersleben, "Frisch geschüttelt", 1938, nicht ELO, sondern Entstehungszeit)
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