Ebenso wie Gralla, Studzinski oder Borchert hat Mahlmann kein Auto; er haust in einer
Kleinstwohnung, begnügt sich mit billigster Kleidung und Ernährung und macht Urlaubsreisen
zu Turnierplätzen, wo er Fernweh mit der Arbeit verbindet. Im Oktober spielte er in Afrika,
wo ihm der Aufenthalt finanziert wurde. Manchmal hat er schon auf Hotelfluren oder im
Nachtbus geschlafen, und notfalls bekommt er bei seinen Großeltern eine warme Mahlzeit.
Einem der talentiertesten deutschen IM, dem 35jährigen Hans-Hermann Donorowski, hilft der
Vater, wenn das Geld ausgeht. Freilich hat der Vater, der selbst nie ein sonderlich starker
Schachspieler war, seinen Sohn geradezu zum Schach getrieben. Er hat ihm nicht nur die
Grundzüge beigebracht, sondern ihn auch mehr fürs Schach als für die Schule motiviert,
so daß der Sohn nach der mittleren Reife abging, um sein Leben dem Schach zu geben.
Der Junge errang mehrere Titel; wegen seiner Erfolge im Blitzschach - neun Deutsche
Meisterschaften - wurde Donorowski in der Szene "Donnerblitz" genannt. Warum er es nicht
zum Großmeister brachte, kann man nur ahnen. Nach seiner Meinung hat ihn der Deutsche
Schachbund, dem er wegen verschiedener Eskapaden suspekt war, nicht zu den wichtigen
internationalen Turnieren geschickt. Auch Donnerblitz leidet unter psychischen Problemen
und gelegentlich starken Alkoholkonsum. "Alkoholprobleme haben viele Schachspieler",
sagt er und zählt eine lange Liste berühmter (Aljechin, Tal usw.) und weniger berühmter
Meister auf, die häufig volltrunken spielten.
Donorowskis herbste Niederlage nagt noch immer an ihm: "Einmal führte ich in einem Turnier
in Bad Wörrishofen nach neun Tagen und neun Runden mit neun Punkten. Ich spielte in
Höchstform. In der letzten Runde hatte ich den sowjetischen Großmeister Kuzmin zum Gegner.
Ein Remis hätte zum ersten Platz und 8000 Mark gereicht. Ich stand besser und sah schon
Geldbündel vor mir. Da mach' ich den einzigen Fehler in den zehn Tagen, verliere die Partie und
rutsche auf einen 300-Mark-Platz runter." Er blickt uns verzweifelt an, während der jahrealte
Schmerz sich wieder durch ihn frißt: "Mein Vater schimpfte damals: Ich bin extra deinetwegen
hierhergekommen, und du spielst so einen Mist - ich hätte ihn umbringen können!" Damals hat
ein Schachspieler dan Vatermord nicht nur im Unterbewußtsein durchgespielt. Schließlich hat
der Sohn die 300 Mark versoffen, und sein Vater mußte ihn vor dem Zusammenbruch retten.
(... nur noch zwei Seiten! Wirklich!)
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INSELSCHACH 91
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