Haben Sie sich auch schon darüber geärgert, daß Schachspieler in Filmen immer
Snobs oder Gangster sind und jedenfalls ihre Partie dort nie ernst nehmen?
Dann lesen Sie unsere Enthüllungsstory:
Die Naseneröffnung
Wie es der Zufall so will: Da hab ich doch neulich 'n paar Filme gesehen.
Es kamen auch Schachspieler drin vor. Aber solche wie die waren mir noch nie
unter die Augen gekommen. (Man lernt nie aus!) Die sitzen im Film nämlich immer
in einem richtigen Salon, ganz vornehm, Sie wissen schon, so mit dicken Teppichen,
und die Sessel können eigentlich nur mit einem Kran in das Zimmer gehievt worden
sein, so schwer sind die.
Ja, we gesagt, dann sitzen die da. Ganz lässig in die hochgekranten Sessel gelümmelt.
Und anfangs ist es mucksmäuschenstill, man hört fast gar nichts. Fast - denn das
Klicken der Eiswürfel in den Whisky-Gläsern hört man immer. Oder haben Sie schon
mal einen Film gesehen, in dem die Eiswürfel in den Whisky-Gläsern der Schachspieler
nicht geklickt haben? Sehen Sie - ich auch nicht.
Und dann geht's los. Das heisst, so richtig geht es noch nicht los, denn der mit Weiß
guckt seinen Gegner immer nur an. Er weiß im Film vermutlich nie, womit er eröffnen
soll und denkt vielleicht: "Ist seine Nase nach rechts gebogen, spiele ich 1.c4, ist sie
nach links gebogen, kommt 1.d4, falls sie gerade ist, 1.e4, und wenn er keine Nase hat,
ziehe ich eben 1.Sf3." Oder warum mag er denn sonst den Gegner so lange anglotzen?
Jedenfalls: Wenn meine Theorie stimmt, reduzieren sich im Film die Eröffnungen auf 4
Möglichkeiten: Nase mit Linksknick, Nase mit Rechtsknick, grade Nase, keine Nase.
Aber nach dem ersten Zug der Filmleute habe ich die Theorie schon längst vergessen.
Weil mir nun plötzlich klar wird, daß der mit Weiß eine ganz miese Type sein muß. Denn,
egal, ob er nun die links-, rechts-, grad- oder ohnenasige Eröffnung gespielt hat, diese
Kanaille grinst seinen Gegner andauernd so breit an, daß sich seine Ohren am Hinterkopf
treffen.
Unter Filmkennern gesprochen: Das hat nun natürlich nichts mit der nasenabhängigen
Qualität der Eröffnung zu tun, sondern hat pädagogische und dramaturgische Funktion.
Der bildungsfreudige Zuschauer lernt sofort dreierlei: Nämlich daß Schachspieler nach
einem Zug immer triumphierend grinsen; daß sie völlig subjektiv in ihrem Urteil sind, weil
sich ihre Züge nach der Nase anderer Leute richten; und, was den Fortgang der Handlung
betrifft, daß sie miese Typen sind. Diesbezüglichlich kann ich mich auf einen Filmforscher
berufen, dessen Namen ich lieber verschweigen möchte, damit die Filmleute ihn nicht lynchen. Der hat nämlich herausgefunden, daß die miesen Typen im 87,346% der Filme nur Schach spielen, um Untaten auszuhecken.
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INSELSCHACH 100
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